
Im Winter 2024/25 konnten wir dank zahlreicher Spenden erneut einen Hilfstransport in die Ukraine durchführen. Unsere Reise führte uns nicht nur in Städte wie Kyjiw, sondern auch in direkte Frontregionen wie Sumy und Marhanez – dorthin, wo der Krieg das tägliche Leben am härtesten trifft.
Unterstützung für Binnenflüchtlinge und medizinische Einrichtungen
Unsere erste Station war Kyjiw, wo uns unsere langjährige Partnerorganisation PokrovaFund herzlich in Empfang nahm. Während unser Sprinter nach der langen Fahrt gewartet wurde, begannen wir gemeinsam mit der Verteilung der ersten Hilfsgüter.
In der Region Kyjiw unterstützten wir eine Gemeinde in Boryspil, die sich seit Beginn des Krieges um Binnenflüchtlinge kümmert – mit Kleiderkammern, Essensausgaben und einem „Wärmepunkt“ im Schutzkeller. Die von uns mitgebrachte Powerstation hilft dort nun, auch bei Stromausfällen zu kochen, sich aufzuwärmen oder einfach einen Ort der Begegnung zu schaffen.
Ein weiterer Halt war das Kinderkrankenhaus Ochmatdyt, das wichtigste Zentrum für Kinderonkologie in der Ukraine. Im Juli 2024 wurde es Ziel eines schweren russischen Angriffs. Noch immer ist ein Teil der Klinik stark beschädigt. In manchen Fluren funktioniert kein Licht – wir mussten bei der Durchsicht von Dokumenten auf Taschenlampen zurückgreifen. Risse durchziehen die Wände, viele Fenster sind notdürftig abgedichtet. Und dennoch wird weitergearbeitet – mit großer Hingabe und Mut.
Hier besuchten wir auch Leia, ein zweijähriges Mädchen mit Leukämie, das uns besonders berührte. Ihre Mutter hatte uns über Umwege erreicht und um Unterstützung für die teure Therapie gebeten. Dank eurer Spenden konnten wir helfen – ein Zeichen der Hoffnung inmitten der Zerstörung. Aufgrund der Infektionsgefahr durften wir Leia nicht persönlich sehen, aber ihre Mutter und Großmutter kamen uns vor der Station entgegen. Umso mehr freut es uns, dass die Therapie gut anschlägt und es Leia inzwischen besser geht.
Am Vormittag des 24. Dezember besuchten wir Schytomyr, wo wir Kinder beschenken konnten, die kürzlich ihren Vater im Krieg verloren haben. In einem Moment zwischen Trauer und kindlicher Vorfreude entstand ein stilles, tief bewegendes Erlebnis. Gerade zu Weihnachten, einem Fest der Familie, war es uns ein besonderes Anliegen, diesen Kindern ein wenig Freude zu schenken – mitten im Schmerz.
Weihnachten in der Nähe der Front
In Pryjutiwka und Oleksandrija durften wir an einer besonderen Weihnachtsaktion teilnehmen – einer Veranstaltung für Kinder, deren Väter und Mütter gefallen sind oder aktuell an der Front stehen. Die Geschenkboxen wurden von der Freien Kirchengemeinde Warendorf gemeinsam mit der ukrainischen NGO Girska Zupinka zusammengestellt. Wir hatten die große Freude, bei der Verteilung mitzuhelfen.
Viele Kinder in dieser Region verbringen den Großteil ihrer Zeit zu Hause. Der Unterricht findet meist digital statt, soziale Kontakte sind selten. Umso wichtiger war das farbenfrohe Kinderprogramm der Kirche: Mit Spielen, Tierkostümen und Musik wurde den Kindern ein Tag der Leichtigkeit geschenkt. Besonders eindrucksvoll war das Bild zu Beginn und am Ende – aus stillen, abgekapselten Gesichtern wurden leuchtende Augen und fröhliches Lachen. Für einen Moment war der Krieg ganz weit weg.
Marhanez: Leben unter Beschuss
Marhanez liegt nur wenige Kilometer von den russischen Truppen entfernt – getrennt lediglich durch den Fluss Dnipro. Die Stadt steht täglich unter Beschuss durch Artillerie und Drohnen. Besonders betroffen ist die örtliche Feuerwehr, die bei jedem Angriff ausrückt und dabei selbst zur Zielscheibe wird.
Umso wertvoller war die Unterstützung durch die Feuerwehr der Stadt Warendorf, die bereits zum zweiten Mal spezielle Ausrüstung und Einsatzkleidung gespendet hat. Die Notwendigkeit wurde uns eindrücklich vor Augen geführt – einige der Uniformen hingen noch zum Trocknen, direkt nach einem Einsatz. Besonders berührend war die Begegnung mit Aleksej, dem Leiter der Feuerwache. Er hatte sich bei einem Einsatz verletzt, als er einen Zivilisten schützte – und stand wenige Tage später bereits wieder im Dienst. Auf unsere Frage, was am dringendsten gebraucht werde, antwortete er ohne Zögern: „Wasser.“ Seit der Sprengung des Kachowka-Staudamms hat die Feuerwehr keinen Zugang mehr zum Wassernetz und muss es unter Lebensgefahr aus der Stadt beschaffen.
Auch das Stadtbild ist gezeichnet vom Krieg: Ein großes Loch klafft im Kulturzentrum, Einschläge und Zerstörung prägen das Straßenbild. Während unseres Aufenthalts erlebten wir einen Drohnenangriff auf eine Tankstelle – nur wenige Minuten, nachdem wir dort vorbeigefahren waren. Die permanente Bedrohung spürt man überall – in den Gesichtern, in der Haltung, in den Worten der Menschen.
Gemeinsam mit der stellvertretenden Bürgermeisterin besuchten wir außerdem Witwen und Familien, die schon vor dem Krieg unter schwierigen Bedingungen lebten – heute in existenzieller Not, ohne Möglichkeit zu fliehen. Eine Großmutter erzählte unter Tränen, wie sehr sich ihre Enkel über die Weihnachtsgeschenke und Essenspakete gefreut haben. Eine Mutter erzählte uns:
„Meine neugeborene Tochter wurde von einem Artilleriegeschoss in unserer Nähe so erschrocken, dass sie monatelang jede Nacht zur selben Zeit aufgewacht ist und geweint hat.“
Diese Worte lassen erahnen, wie tief der Krieg selbst in das Leben der Kleinsten eingreift – weit über das Sichtbare hinaus.
Die letzte Station vor unserer Weiterreise nach Sumy war das städtische Krankenhaus. Dort übergaben wir dringend benötigtes Pflegematerial und sprachen mit einem Arzt der neurologischen Abteilung. Er berichtete eindrücklich von der angespannten Lage und dem großen Mangel an höhenverstellbaren Betten – eine scheinbar einfache, aber für die Pflege unverzichtbare Ressource.
Sumy: Nah an der Front, stark im Zusammenhalt
Bereits auf dem Weg nach Sumy spürten wir, was es heißt, im Alltag eines Kriegsgebiets unterwegs zu sein. Wegen eines Luftalarms wurde in der Region das GPS-Signal deaktiviert, um Drohnen und Raketen an präzisen Einschlägen zu hindern – eine notwendige Maßnahme, die jedoch dazu führte, dass wir uns verfuhren.
In Sumy, nur wenige Kilometer von der Front entfernt, arbeiteten wir mit einer offenen Kirchengemeinde zusammen, die seit Kriegsbeginn täglich für alle Menschen da ist – unabhängig von Herkunft oder Religion. Wir übergaben eine dringend benötigte Powerstation, die das Gemeindezentrum bei Stromausfällen mit Energie und Wärme versorgt – und so sicherstellt, dass wichtige Hilfsangebote auch während Angriffen und Blackouts fortgeführt werden können.
Auch Medikamente, warme Decken und Kleidung für die Kleiderkammer hatten wir im Gepäck – ein Teil davon für verletzte Soldatinnen und Soldaten im nahegelegenen Krankenhaus. Besonders freuten wir uns über die großzügige Spende von Yogamatten durch die Firma Lotus Design. Sie werden künftig in einem Gesundheitskurs für Witwen gefallener Soldaten eingesetzt, der den Frauen helfen soll, in der Trauer wieder Stabilität und Kraft zu finden.
Gemeinsam mit dem Jugendamt Sumy, der Kirchengemeinde Warendorf und Girska Zupynka organisierten wir zudem eine Kinderveranstaltung mit Weihnachtsgeschenken. Eingeladen waren Kinder, die stark vom Krieg betroffen sind. Nach der Veranstaltung kam eine Mutter auf uns zu – mit Tränen in den Augen – und sagte: „Ich habe meine Kinder seit Monaten nicht mehr lachen gesehen.“ Für einen Moment war Hoffnung zurückgekehrt.
Am Silvesterabend besuchten wir außerdem mehrere Witwen. Der Jahreswechsel ist in der Ukraine traditionell ein bedeutendes Fest – doch für viele bedeutet er heute Leere und Schmerz. Mit Essenspaketen und kleinen Geschenken konnten wir zumindest ein wenig Wärme bringen. Besonders eindrücklich war das Gespräch mit einer jungen Frau, die sagte:
„Ich dachte, es interessiert niemanden mehr, was mit uns passiert.“
Unsere Präsenz hat ihr Mut gemacht – stellvertretend für all jene, die mit ihrer Spende zeigen: Ihr seid nicht vergessen.
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Danke, dass ihr das möglich macht. Eure Spenden sind mehr als Hilfe – sie sind ein Zeichen von Verbundenheit, Hoffnung und Menschlichkeit.

































































